Beispiele für tertiärpräventive Maßnahmen

Durch Tertiärprävention können Folgeerkrankungen der Niereninsuffizienz wie zum Beispiel beschleunigte Arterienverkalkung oder Knochenschäden vermindert oder sogar vermieden werden.

Niere und Knochen

Die Nieren erfüllen auch im Knochenstoffwechsel eine wichtige Funktion und sind damit für die Gesunderhaltung des Bewegungsapparates von zentraler Bedeutung. Eine Störung der natürlichen Nierenfunktion führt fast immer zu Problemen mit der Knochensubstanz, einer so genannten renalen Osteopathie. Die Folge ist eine  verminderte Knochendichte und -stabilität. Zu den möglichen Symptomen gehören Knochenschmerzen oder plötzlich auftretende Frakturen.

Kreisläufe im Knochenstoffwechsel

Die genauen medizinischen Zusammenhänge sind sehr komplex. Von zentraler Bedeutung bei den verschiedenen Stoffwechselkreisläufen, die im Zusammenhang von Niere und Knochen eine Rolle spielen, ist das Vitamin D. Dieses Vitamin
ist u. a. dafür zuständig, bei der Verdauung Kalzium aus der Nahrung zu lösen, das für die Muskelfunktion und den Einbau in die Knochensubstanz benötigt wird. Damit das Vitamin D diese Aufgabe erfüllen kann, muss es im Körper zunächst aktiviert werden.
Das geschieht im gesunden Organismus in Leber und Niere. Kann dieser Prozess bei einer chronischen Nierenerkrankung nicht mehr ablaufen, stellt sich ein Mangelzustand ein. Der Körper holt sich in dieser Situation das Kalzium dort, wo es reichlich vorhanden
ist – in den Knochen. Nierenschädigung, Vitamin D-Mangel und renale Osteopathie hängen damit direkt zusammen.

Eine wichtige Präventionsmaßnahme besteht darin, den Mangel an aktiviertem Vitamin D möglichst frühzeitig durch Zufuhr von außen zu beheben. Möglicherweise muss zusätzlich auch Kalzium zugeführt werden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Wirkstoffe, die dazu dienen, den fortschreitenden Knochenabbau aufzuhalten oder umzukehren. Die Therapie der renalen Osteopathie verlangt von den Patienten viel Disziplin bei der Einhaltung der Ernährungsvorgaben und der regelmäßigen Einnahme der verordneten Arzneimittel.

Die Niere und das Herz-Kreislauf-System

Es ist bekannt, dass nierenkranke Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Diese Erkrankungen gehören für Menschen mit einer chronischen Niereninsuffizienz zu den häufigsten Todesursachen. Deshalb ist es für Patienten mit einer Nierenerkrankung ganz besonders wichtig, sich an die üblichen Präventionsempfehlungen zu halten.

  • auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung zu achten
  • Sport zu treiben
  • Gewicht und Stressfaktoren abzubauen
  • Alkohol- und Nikotin zu meiden

Besondere Belastung

Das besondere Risiko von niereninsuffizienten Patienten für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung ergibt sich daraus, dass die Nierenkrankheit zu einem erhöhten Blutdruck beitragen kann. Die nicht-medikamentösen Präventionsmaßnahmen spielen zur Vermeidung von Komplikationen eine wichtige Rolle.

Auch die bei Nierenerkrankungen häufige Blutarmut (Anämie) kann eine Belastung für das Herz-Kreislauf-System bedeuten. Ursächlich dafür ist in vielen Fällen ein Mangel des Hormons Erythropoietin (kurz: EPO), das im Knochenmark die Bildung von roten Blutkörperchen anregt. Kann bei einer Nierenerkrankung nicht genug EPO gebildet werden, führt das – im Zusammenspiel mit anderen Faktoren – zur Blutarmut. Die Anämie führt zu einer Sauerstoffmangelversorgung aller Gewebe. Das Herz pumpt nun schneller und stärker um dies auszugleichen. Auf Dauer kann das das Herz schädigen und zu einem Verlust der Pumpleistung führen. Als mögliche tertiärpräventive Therapie bietet sich die rechtzeitige Zufuhr von künstlich hergestelltem EPO an.

Gestörter Kalzium- und Phosphatstoffwechsel

Ein weiterer Risikofaktor für das Herz-Kreislauf-System ist die Verkalkung von Gefäßen, die durch eine Nierenerkrankung begünstigt werden kann. Dieser Zusammenhang basiert auf den gleichen Vorgängen, die auch für die Entstehung der renalen Osteopathie verantwortlich sind: Durch den Kalzium-Mangel im Blut wird in den Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen) verstärkt das Hormon Parathormon produziert und freigesetzt. Dieses Hormon fungiert als Signalgeber an die Niere und hat die Aufgabe, die Vitamin-D-Produktion anzukurbeln, um so dem niedrigen Kalziumspiegel im Blut entgegenzuwirken. Da die erkrankte Niere auf diese biochemischen Befehle nicht adäquat reagieren kann, wird immer mehr Parathormon ausgeschüttet. Diese Überfunktion der Nebenschilddrüsen bezeichnet man als sekundäre Hyperparathyreoidismus.

Das Parathormon regelt aber nicht nur den Kalziumhaushalt im Körper, sondern auch den Phosphatspiegel im Blut. Im gesunden Körper geht eine erhöhte Freisetzung von Kalzium einher mit einer stärkeren Ausscheidung von Phosphat über die Nieren.
Sprich: Ist der Kalziumspiegel hoch, ist der Phosphatspiegel niedrig und umgekehrt. Bei einer Niereninsuffizienz ist dieses komplexe Zusammenspiel gestört und Kalzium und Phosphat können chemisch reagieren. Das Produkt setzt sich an den Gefäß-Innenwänden und den Herzklappen ab und führt so zu Gefäßverkalkung.

Prävention

Um dieser gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken, bieten sich verschiedene Präventionsmaßnahmen an. Wichtig ist es beispielsweise, auf eine phosphatarme Ernährung zu achten. Auch eine Zufuhr von Vitamin D kann dem sekundären Hyperparathyreoidismus entgegenwirken. Als ultima ratio kommt auch eine operative Verkleinerung der Nebenschildrüsen
in Betracht, um so den Ausstoß von Parathormon einzuschränken.